Beobachtungen im Januar:
Im Revier des Habichts - Vogel des Jahres 2015

von Christian Fackelmann

Entlang des Trampelpfades durch den unterholzreichen Auwaldstreifen leuchten an mehreren Stellen helle Federkränze am Boden. Es sind die Überreste einiger Tauben, die in den letzten Tagen und Wochen durch einen Habicht geschlagen wurden. Zu dessen langjährigem Brutplatz bin ich unterwegs. Die teils frischen Rupfungen zeigen, dass mindestens einer der Altvögel ständig oder zumindest zeitweise den Ruheplatz in einer eingesprengten Altfichtengruppe nahe beim Horst aufsucht.

Hier finde ich unter dem Schlaf- und Ruhebaum reichlich Schmelz. Auf und um einen Baumstubben liegt die tagesfrische Rupfung eines jungen Sperberweibchens. Vor allem die umherstreifenden, revierlosen und unerfahrenen Jungsperber fallen dem Habicht während des Winters regelmäßig zum Opfer. Aber auch die erfahrenen und mit den örtlichen Gegebenheiten in ihrem Revier vertrauten Altsperber schlägt er bei Gelegenheit; oft, wenn diese gerade am Boden mit dem Rupfen ihrer Beute beschäftigt sind. Die Überreste des Sperbers liegen dann über der des Singvogels, und der Habicht hat mit einem Überraschungsangriff zwei Vögel erbeutet.

Den im Umfeld des Habichtsbrutplatzes lebenden Kleinvögeln kommt die Reduzierung ihres ärgsten Feindes zugute. In den Baumkronen sind gemischte Trupps aus Blau-, Kohl- und Schwanzmeisen unterwegs. Auch einige Goldhähnchen sind im Geäst der Fichten zu hören. Der Buntspecht hängt mit bestem Überblick über sein Revier am äußersten Wipfeltrieb der höchsten Fichte, und aus den alten Pappeln am Fluss ist das Lachen eines Grünspechts zu hören. Während die Meisen und Goldhähnchen als etwas zu kleine Portionen den Jagdaufwand nicht wert sind, müssen die beiden Spechte vor dem Habicht auf der Hut sein, denn ab ihrer Größe wird die Jagd für diesen rentabel.

Während ich zum Horstbaum laufe, fliegt ein Schatten durch die Baumkronen. Einer der Habichte ist gerade angekommen und beginnt wegen meiner Anwesenheit zu warnen. Er verschwindet vorerst im Auwald, bleibt aber in der Nähe und lässt in unregelmäßigen Abständen als Unmutsäußerung das sogenannte „Gickern“ hören. Ob es sich um das Weibchen oder das Männchen handelt, ist nicht festzustellen. Dazu müsste sich der Vogel zumindest kurz mit dem Fernglas beobachten lassen. Wenn beide Partner anwesend sind, lässt sich das Geschlecht der Rufer auch ohne Sichtkontakt durch die tiefere Stimme des Weibchens feststellen.

Der Horst befindet sich mit gut zehn Metern Höhe in einer mittelalten Einzelfichte, die von Laubholz-Jungwuchs umgeben ist. Allerdings finde ich nur noch die Unterlage auf dem Astquirl vor, der restliche Reisigbau liegt am Boden. Ob der Horst durch die Beanspruchung der Jungvögel so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass er den Herbststürmen nicht mehr standhielt, oder andere Ursachen für den Absturz verantwortlich sind, lässt sich nachträglich nicht mehr feststellen. 2014 hat das Paar drei Jungvögel hochgebracht, ein Hinweis auf die Qualität des Lebensraumes. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob das Paar den Neststandort wechselt oder am altgedienten Nistplatz festhält und mit dem Neubau beginnt.

Aufnahmen zu "Im Revier des Habichts:
Aufnahme 1: Rufe (Gickern) des Habichts am Brutplatz. Dazwischen Meisen.
Aufnahme 2: Bettelrufe dreier Ästlinge während und nach der Fütterung durch einen Altvogel.

Medien mit Christian Fackelmann:
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"Erlebnis Zoo" mit 190 Tierstimmen und Geräusche im Zoo * Audio-CD mit 36-seitigem Beiheft * ISBN 978-3-938147-45-0
"Erlebnis Meer" mit 110 Tierstimmen und Geräusche an Meer und Küste * Audio-CD mit 32-seitigem Beiheft * ISBN 978-3-938147-46-7
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"Vogelporträt Pirol" mit 44 Titeln, 50 Tonaufnahmen, 74 Minuten * Download * Art.Nr.: 220432D

"Entspannung Natur - Stimmen der Nacht " Naturimpressionen in kroatischer Nacht. 65 Minuten. * Download * Art.Nr.: 814776D
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