Beobachtungen im April:
Singende Drosseln

von Christian Fackelmann

Es ist Anfang April. In den Nächten sinkt die Temperatur manchmal noch unter den Gefrierpunkt, an sonnigen Tagen wird es aber bereits angenehm warm. Ich bin mit dem Fahrrad südlich des Ammersees in einem 10x10 Quadratkilometer großen Gebiet ohne ausgebautem Verkehrsnetz unterwegs. Solche Gebiete sind inzwischen in Bayern außerhalb der Alpen kaum noch zu finden.

Der Wald, den ich ansteuere, heißt „Stiller Wald“. Richtig ruhig ist es allerdings auch hier nicht. Der Himmel ist voller Kleinstflugzeuge und sonstiger Flugobjekte - Motorenlärm ist heutzutage einfach omnipräsent. Am Rande eines alten Mischwaldes hoffe ich, in der Abenddämmerung balzende Waldschnepfen anzutreffen.

Im Laufe des Nachmittags kann ich verschiedene Spechtarten bei der Nahrungssuche, der Balz und beim Höhlenzimmern beobachten. In einer Altbuche mit mehreren Schwarzspechthöhlen haben sich zwei Dohlenpaare angesiedelt. Über dem Wald sind ständig Bussarde zu sehen oder zu hören, ein Rotmilan und sogar ein Schwarzstorch fliegen vorbei.

Gegen Abend wird es ruhiger. Nachdem der Buntspecht aufgehört hat, von einem dürren Eichenast zu rufen, beginnt aus einer nahen Fichtendickung eine Singdrossel ihren lauten Gesang vorzutragen. Diese Art kommt etwa zeitgleich mit der Waldschnepfe und der Ringeltaube in die Brutgebiete zurück. Ich entdecke den Vogel auf der höchsten Fichtenspitze. In der Abenddämmerung bestimmen die abwechslungsreichen, mehrmals wiederholten, zwitschernden und flötenden Motive die Geräuschkulisse, während Meisen, Zilpzalp, Buchfink und die anderen Sänger nach und nach verstummen.

Auch täuschend gute Imitationen anderer Vogelarten sind in den Gesang eingeflochten. Mehrmals wurde ich von einem der Sänger mit Mäusebussard- oder Specht-Rufen genarrt. Auch das „pickwerwick“ der Wachtel habe ich so mitten im Wald zu hören bekommen.

Das auffällige Singen von höchster Warte lässt zwar alle Nachbarn erfahren, dass das Revier besetzt ist und erreicht noch unverpaarte Weibchen in großer Entfernung, macht aber auch Habicht und Sperber auf den Vogel und den Nistplatz aufmerksam. Die Singdrossel ist - abgesehen von ihrer Häufigkeit - aufgrund ihrer Größe eine ideale „Portion“ für diese Beutegreifer.  Ihre Rupfungen finden sich mit großer Regelmäßigkeit bei meinen Waldbegehungen.

Am Rande der Dickung habe ich am Nachmittag in zwei einzelstehenden Jungfichten das angefangene Nest der Drossel und eines vom Vorjahr gefunden. Von den gleich großen Amselnestern unterscheiden sie sich durch das Fehlen jeglicher weicher Auspolsterung. Die Eier liegen auf der festen Innenauskleidung aus eingespeicheltem Holzmulm. Dadurch halten die Nester recht lange und werden in den Folgejahren gerne von Waldwasserläufern genutzt – zumindest dort, wo diese Vögel noch ein Auskommen finden. Die Eier der Singdrossel sind durch die intensiv hellblaue Färbung mit spärlicher dunkler Sprenkelung, vor allem am stumpfen Pol, von den gleichmäßiger rötlichbraun gesprenkelten und matteren Eiern der Amsel leicht zu unterscheiden.

Mit einsetzender Dunkelheit verschwindet die Drossel recht abrupt in der Dickung. Ein Kauz ruft zweimal in der Nähe, dann herrscht Stille. Die erwarteten Waldschnepfen bleiben zwar aus, die
aus Leibeskräften singende Drossel hat jedoch ihr Bestes gegeben, um dafür zu entschädigen.

Aufnahmen zu "Singende Drosseln"
Aufnahme 1: Gesang einer Singdrossel von einer Baumspitze aus. * 25.4.2015, 15:40 Uhr, Landkreis Aichach-Friedberg, Bayern (D)
Aufnahme 2: Abendlicher Gesang einer Singdrossel von einer Baumspitze aus. * 28.4.2010, 19:30 Uhr, Landkreis Weilheim-Schongau, Bayern (D)
Aufnahme 3: Abendlicher Gesang einer Singdrossel von einer Baumsptize aus. * 28.4.2010, 19:45 Uhr, Landkreis Weilheim-Schongau, Bayern (D)

Medien mit Christian Fackelmann:
"Die Stimmen der Greifvögel und Falken" mit 58 Greifvögeln und 45 Falken in 311 Tonaufnahmen * 2 Audio-CDs * ISBN 978-3-938147-17-7
"Erlebnis Zoo" mit 190 Tierstimmen und Geräusche im Zoo * Audio-CD mit 36-seitigem Beiheft * ISBN 978-3-938147-45-0
"Erlebnis Meer" mit 110 Tierstimmen und Geräusche an Meer und Küste * Audio-CD mit 32-seitigem Beiheft * ISBN 978-3-938147-46-7
"Vogelporträt Rotfußfalke" über den Brutzyklus des Rotfußfalken mit 10 Titeln, 11 Tonaufnahmen, 16 Minuten * Download * Art.Nr.: 147178D
"Vogelporträt Pirol" mit 44 Titeln, 50 Tonaufnahmen, 74 Minuten * Download * Art.Nr.: 220432D

"Entspannung Natur - Stimmen der Nacht " Naturimpressionen in kroatischer Nacht. 65 Minuten. * Download * Art.Nr.: 814776D
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